Produkthaftung bei Medizinprodukten
Der Weltmarkt für Medizintechnik generierte im 2017 einen Umsatz von rund 390 Milliarden US-Dollar. Und allein 9,9 %, also 38,6 Milliarden US-Dollar, davon entfielen auf Deutschland, womit wir an zweiter Stelle hinter den USA (38%) liegen.
An diesen Zahlen kann man die gewaltigen Dimensionen des Marktes zumindest erahnen. Die Überwachung der 400.000 zugelassenen Medizinprodukte in Deutschland liegt allerdings bei den Ländern.
Dieser Beitrag soll die Frage beantworten, ob die Kontrolle durch benannte Stellen einer einheitlichen Kontrolle schadet, wie Sie sich über Ihr Medizinprodukt informieren können und was Sie tun können, wenn Sie feststellen, dass es fehlerhaft ist oder sein könnte.
I. Wie informieren Sie sich richtig über ihre eigenen Implantate?
Bekommt man eine Endoprothese, einen Herzschrittmacher oder ein anderes Implantat, erhält man seit 2015 verpflichtend auch einen sog. Implantatpass oder Implantatausweis dazu. In ihm sind die wichtigsten Informationen zum implantierten Medizinprodukt enthalten, z.B. der Name des Patienten, das Datum der Implantierung, die Bezeichnung des Implantats, der Typ und die Seriennummer oder Los-Code. Auch Informationen zum Hersteller sind enthalten, sowie der Name des implantierenden Arztes. Zusätzlich muss dem Patienten ein Merkblatt mit Maßnahmen bei Problemen mit dem Implantat ausgehändigt werden.
Mit diesen Informationen kann man sich z.B. beim BfArM dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte informieren.
Hersteller wie auch Anwender dieser Produkte sind verpflichtet Zwischenfälle mit Medizinprodukten die zum Tod oder zu schweren gesundheitlichen Problemen geführt haben oder hätten führen können an das Bundesinstitut zu melden.
II. Wer ist haftbar bei Fehlern?
Sollten bei Ihnen als Patient fehlerhafte Medizinprodukte verwendet worden sein, so können unter Umständen Ansprüche gegenüber dem Hersteller aus Produkthaftung, der beliehenen Stelle, die überhaupt für die Zulassung des Produktes verantwortlich war oder dem jeweiligen Krankhaus wegen fehlerhafter Durchführung der Operationen durchgesetzt werden.
Welche/r dieser Beteiligten tatsächlich am Ende in die Haftung genommen werden, kommt ganz auf den Einzelfall an.
Grundsätzlich ist zumindest die Beweisführung für Betroffene durch den EuGH schon deutlich erleichtert worden. Nach seiner Rechtsprechung können alle Produkte eines gleichen Modells als potentiell fehlerhaft angesehen werden, wenn ein Produkt einen potentiellen Fehler hat.
Das bedeutet, dass Betroffene nicht mehr beweisen müssen, dass gerade das bei ihnen implantierte oder verwendete Produkt fehlerhaft war, wenn die Modellreihe als solche als potentiell fehlerhaft eingestuft werden kann.
In seinem Urteil stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass die Medizinprodukte in Anbetracht ihrer Funktion und der Verletzlichkeit der sie nutzenden Patienten besonders hohen Sicherheitsanforderungen unterliegen.
III. Fälle, die Sie interessieren könnten
1. Fehlerhafte Hüftprothesen bei diversen deutschen und ausländischen Herstellern
2010 hat das BfArM über eine Rückrufaktion aller Implantate des Herstellers DePuy informiert. Bei den Prothesen kam es durch normale Nutzung zu einem Metallabrieb mit der Folge, dass metallische Mikroteilchen in den Körper der Patienten gelangen konnten und dauerhafte Schäden an den inneren Organen nicht auszuschließen waren.
Auch bei den Lübecker Herstellern ESKA Implants kam es schon zu einer Rückrufaktion, nachdem mehrere eingesetzte Hüftimplantate brachen.
Bekannt wurde durch zahlreiche Klageverfahren auch die Zimmer GmbH, die trotz eindeutiger Hinweise fehlerhafte Prothesen nicht rechtzeitig vom Markt nahm. Und auch bei Falcon Varicon aus Österreich traten Spannungsrisskorrosionen auf. Danach musste auch dieses Produkt vom Markt genommen werden.
2. Fehlerhafte Brustimplantate des Herstellers PIP
Im größten bisher bekannten Fall war der TÜV Rheinland einer der Hauptakteure. Insgesamt wurden rund 400.000 Frauen in diversen Ländern mit minderwertigem Industriesilikon gefüllte Brustimplantate eingesetzt.
Der TÜV hatte die Implantate für den Einsatz auf dem europäischen Markt zugelassen.
Ursprünglich wurde der Hersteller schon wegen Betruges verurteilt – er ging jedoch in Konkurs und hat aus diesem Grund nie Entschädigungen gezahlt. Die Frauen, die aufgrund undichter Implantate unter Schmerzen litten, forderten daher stattdessen eine Entschädigung vom TÜV. Sie argumentierten, dass er das Produkt niemals hätte zertifizieren dürfen.
1600 Frauen und 6 Händler hatten 2013 geklagt. Zunächst sprach ein französisches Gericht den Frauen Schadenersatz zu, woraufhin der TÜV in Berufung ging. Das Hauptargument war, dass der TÜV selbst ein „Opfer“ des französischen Herstellers wurde, der bewusst notwenige Unterlagen zurückgehalten habe. Das französische Berufungsgericht kassierte dieses erste Urteil und sprach den TÜV von den Vorwürfen frei.
Auch deutsche Gerichte mussten sich mit dem Skandal befassen, letztinstanzlich lehnte der BGH eine Haftung des TÜV Rheinland jedoch ab. Was aus diesem Verfahren auf jeden Fall mitzunehmen ist, ist dass der EuGH entschieden hat, dass grundsätzlich auch die Prüfer eines Produkts in Haftung genommen werden können, wenn der Hersteller nicht ausreichend überwacht wurde.
3. Fehlerhafte Herzschrittmacher von Medtronic
Ganz aktuell aus diesem Jahr ist ein Fall möglicherweise funktionsgestörter Herzschrittmacher des Unternehmens Medtronic. Nun müssen rund 157.000 Implantate überprüft werden, weil möglicherweise Stimulationspausen auftreten können. Wenn die notwendigen Umprogrammierungen nicht funktionieren, müssen die Aggregate ausgetauscht werden. Betroffen sind kabellose Mini-Schrittmacher.
IV. Schaden die nichteinheitlichen Kontrollen der Sicherheit der Medizinprodukte?
Defekte künstliche Hüftgelenke, von denen sich Material löst und Brustimplantate, die viel zu leicht reißen können und mit minderwertigem Silikon hergestellt wurden und schließlich Herzschrittmacher, die möglicherweise Rhythmusstörungen auslösen können. Da kann man den Eindruck entstehen, dass die bisherigen Zulassungsverfahren und Kontrollen nicht ausreichen, aber ist das wirklich der Fall?
In Deutschland sind die beliehenen Stellen, die für die Prüfung und Zulassung der Medizinprodukte zuständig sind, z.B. der TÜV, Dekra oder MDC – hier muss der Hersteller durch Untersuchungsbelege oder Studienergebnisse belegen, dass die Produkte den gesetzlichen Ansprüchen entsprechen.
Es gibt insgesamt etwa 400.000 zugelassene Medizinprodukte und alle mussten ein solches oder ähnliches Zulassungsverfahren durchlaufen. Zudem gibt es das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte), in dem alle wichtigen Informationen zusammenlaufen. Und auch wenn sich die oben dargestellten Fälle schlimm anhören und es durchaus auch sind, ist doch zu sagen, dass bei den heute gängigen Implantaten lediglich 1 -2% mängelbehaftet bzw. möglicherweise fehlerhaft sein könnten. Eine 100%ige Sicherheit kann es kaum geben.
Aus diesem Grund: Sollten Sie als Patient vermuten Opfer eines fehlerhaften Medizinproduktes geworden zu sein, lassen Sie die Ihnen zustehenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zeitnah prüfen. Sie können sich dafür jederzeit vertrauensvoll an uns wenden. Nutzen Sie dafür auch gerne unsere kostenlose Erstberatung.
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